Jahresbericht 2023

Kalbsplaetzli

Vorwort

Unter welches Motto stellen Sie das vergangene Geschäftsjahr von Proviande?

HB «Es bleibt spannend und wird nie langweilig»! Die Fleischbranche sieht sich immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert, für die es manchmal rasch einer Lösung bedarf und in anderen Fällen einen langen Atem. Agilität und Ausdauer sind zwei wichtige Eigenschaften, welche bei Proviande auch 2023 wieder gefragt waren.

Welches Ereignis ist Ihnen in Erinnerung geblieben?

MZ Der Schweinemarkt war Ende 2022/Anfang 2023 von einem erheblichen strukturellen Überschuss gekennzeichnet und rutschte in eine massive Krise. Dank dem Engagement von Produzenten, Handel, Verarbeitung, Exportorganisationen, europäischen Abnehmern sowie auch unter Mithilfe des Bundes konnten tierschutzrelevante Überbelegungen in den Schweineställen und ein noch drastischerer Rückgang der Schweinepreise weitestgehend verhindert werden. Zur Entlastung des Schweinemarktes wurden von Dezember 2022 bis Juni 2023 rund 2’700 Tonnen Schweinehälften und 1’300 Tonnen Wurstfleisch ins europäische Ausland exportiert. Zur Finanzierung der Exporte wurde unter der Obhut von Proviande ein Fonds eingerichtet und verwaltet.

HB Dieses Ereignis zeigt sehr gut, dass die Fleischbranche hervorragend zusammenarbeiten und an einem Strick ziehen kann! Dass wir zusammenstehen können und das gegenseitige Engagement wertschätzen, erinnert uns auch noch an ein anderes prägendes Ereignis dieses Jahres, das uns allen in Erinnerung bleibt: Wir mussten Abschied nehmen von unseren beiden ehemaligen Verwaltungsratsmitgliedern Albert Baumann (Micarna SA) und Ernst Vogel (SSZV). Ihr Engagement und Fachwissen wurde zurecht über unsere Organisation hinaus sehr geschätzt.

Wie hat sich das Image von Fleisch in den vergangenen Jahren verändert?

MZ Die Wertschätzung für Schweizer Fleisch ist weiterhin sehr gross und ist sogar noch gestiegen. Dies belegt unter anderem der auch 2023 weiter angestiegene Inlandanteil an der Gesamtversorgung mit Fleisch in der Schweiz. Die Konsumentinnen und Konsumenten schätzen Fleisch als hochwertiges Nahrungsmittel und einen wichtigen Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung. Und vor allem ist Fleisch auch Genuss und Tradition, worauf Frau und Herr Schweizer nur sehr ungern verzichten möchten.

HB Auch 2023 sind wieder einige unausgewogene und einseitige Medienberichte erschienen, in denen die Nutztierhaltung als umwelt- und klimaschädigend und Fleisch als ungesundes Nahrungsmittel dargestellt wurden. Auch in der neuen Klimastrategie Landwirtschaft und Ernährung 2050 wird diese Haltung von den Bundesbehörden zum Ausdruck gebracht, indem u.a. gefordert wird, dass die Konsum- und Produktionsmuster anzupassen seien – sprich weniger Fleisch. Neue wissenschaftliche Fakten belegen aber, dass die Umweltwirkung der Nutztierhaltung überschätzt wird. Zudem wird die Wertschöpfung, welche mit der Vieh- und Fleischwirtschaft im Inland erzielt werden kann, völlig ausser Acht gelassen.

Welche Herausforderungen sehen Sie für die Fleischbranche und insbesondere Proviande in den nächsten Jahren?

HB In der gesellschaftspolitischen Diskussion wird die Nutztierhaltung und insbesondere die Fleischproduktion in unserem Land oft als problematisch dargestellt, unter anderem bezüglich der Auswirkungen auf die Umwelt, das Klima sowie die Gesundheit. Wissenschaftliche Fakten sprechen eine andere Sprache, welche aber noch zu wenig gehört und verstanden wird.

MZ Eine zentrale Aufgabe von Proviande wird es weiterhin sein, in den strategischen Handlungsfeldern Nachhaltigkeit, Tierwohl und Ernährung die Mehrwerte, welche Schweizer Fleisch bietet, weiterzuentwickeln und aufzuzeigen. Dabei ist ein zentraler Aspekt, dass die Wertschöpfung in der Schweiz erhalten oder noch gesteigert werden kann. Proviande wird hierfür als Impulsgeberin, Botschafterin und Vermittlerin wertvolle Dienste leisten können.

Welche Rolle spielt Proviande in der Fleischbranche?

HB Proviande wird als kompetente und verlässliche Branchenorganisation wahrgenommen und geschätzt. Fragestellungen, bei denen es gilt, gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, werden vielfach an Proviande herangetragen. Unser diesbezüglicher Leistungsausweis darf sich sehen lassen.

Auch politisch engagiert sich Proviande stark. Das Parlament ist 2023 konservativer geworden. Wie sehen Sie das: Ist es eine Chance für Schweizer Fleisch?

MZ Es ist heute unumgänglich, dass sich Proviande als Branchenorganisation und Stimme der Schweizer Fleischwirtschaft aktiv in die gesellschaftspolitischen Diskussionen zur Land- und Ernährungswirtschaft einbringt. Uns ist es wichtig, dass wir über die Parteigrenzen hinweg Lösungsvorschläge und Argumente diskutieren können. Mit der «Groupe de Réflexion» zeigt Proviande, dass die Fleischbranche sich kritisch mit gesellschaftspolitischen Fragestellungen zu Fleisch und Ernährung auseinandersetzt. Diese Dialogbereitschaft wird von den Parlamentarierinnen und Parlamentariern sehr positiv aufgenommen und öffnet Türen über Parteigrenzen hinaus.

Worauf sind Sie stolz, wenn Sie an die Schweizer Fleischbranche denken?

HB Proviande ist nicht nur in der Schweiz, sondern auch international einzigartig. Andere Branchen beneiden Proviande um die Kultur, die bei uns gelebt wird und die Art und Weise, wie Herausforderungen trotz Kontroversen immer wieder gemeinsam gemeistert werden können.

MZ Bei Proviande begegnen sich die Stakeholder auf Augenhöhe und mit Respekt. Auch wenn es «um die Wurst» geht: Wir können am selben Strick ziehen und Lösungen erarbeiten. Und darum geht es am Schluss.

Dr. Markus Zemp
Dr. Markus Zemp
Präsident
Heinrich Bucher
Heinrich Bucher
Direktor